Hin und wieder gebe ich gerne einen tieferen Einblick in meine fotografische Arbeit. So habe ich beispielsweise vor etwas mehr als einem Jahr beschrieben, wie viele Anläufe ich brauchte, bis ich mit einer Aufnahme aus dem Yellowstone Nationalpark zufrieden war. An einem Beispiel aus der Pfalz möchte ich nun zeigen, wie eine exakte Planung der Schlüssel dazu sein kann, um von einer Bildidee zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.
Motiv: Die Milchstraße über der Burgruine Lindelbrunn
Die Bildidee
Vom Rötzenfels, einem Buntsandsteinfelsen auf dem Rötzenberg bei Gossersweiler, hat man einen Panoramablick über die Hügel des Wasgau. Unter dem Felsen breitet sich dabei zunächst ein Tal aus, an dessen Ende sich die bewaldeten Hügel des Wasgau aufreihen. Auf einem Hügel befindet sich eine der schönsten Locations der Pfalz, die Burgruine Lindelbrunn.
Panoramablick vom Rötzenfels (Dezember 2015) – In der Bildmitte ist der Hügel mit der Burgruine Lindelbrunn zu erkennen.
Für mich ist der Blick vom Rötzenfels einer der schönsten Ausblicke, die man in der Pfalz haben kann. Ich genieße es jedesmal meinen Blick über die Hügel schweifen zu lassen und stets bleibt mein Blick dabei an dem Hügel mit der Lindelbrunn hängen. Dabei gefällt es mir sehr gut, dass die Burg aus dieser Perspektive nicht dominant über der Landschaft steht. Im Gegenteil, sie wirkt fast schon zurückhaltend, als wollte sie leise sein und der umgebenden Natur den Vortritt lassen.
Wenn mir Motive gut gefallen, dann kehre ich in Gedanken oft an den Ort zurück und überlege mir, wie dieses Motiv bei anderem Licht, in einer anderen Jahreszeit und bei anderen Witterungsbedingungen wirken würde. Bei diesem Motiv bin ich rasch an der Idee hängen geblieben, die Milchstraße über der Burgruine Lindelbrunn zu zeigen. Dabei wusste ich genau wie mein Bild aussehen sollte. Doch dazu mehr, bei der Beschreibung der Planung.
Die zeitliche Planung
Zunächst galt es herauszufinden, ob die Milchstraße jemals so stehen würde, dass ihr hellster Teil, das sogenannte ‘Galaktische Zentrum’, möglichst flach über der Lindelbrunn zu sehen sein wird. Dazu kommen in unseren Breiten nur die Sommermonate in Frage.
Für Planungen dieser Art nutze ich bevorzugt die iOS App ‘The Photographers Ephemeris’. Im Nachtmodus dieser App kann man über die Skala mit der Uhrzeit streichen und sieht, wie sich dabei die Milchstraße über den Abendhimmel bewegt und vom gewählten Standpunkt aus sichtbar sein wird. Auf dem folgenden Screenshot markiert der rote Pin meine Position auf dem Rötzenfels, während der graue Pin die Burgruine Lindelbrunn markiert. Wie die App zeigt, wird in der Nacht vom 26. August auf den 27. August 2016 um 23:17 das Galaktische Zentrum der Milchstraße über der Lindelbrunn zu sehen sein, wenn man vom Rötzenfels aus schaut.
Unterhalb der Karte sehen wir eine Box mit der Uhrzeit und zwei weiteren Angaben. Der Eintrag ‘GC’ steht für ‘Galactic Center’, also das Galaktische Zentrum und die zweite Zahl danach gibt an, wieviel Grad über dem Horizont es sichtbar sein wird. In unserem Fall steht das Galaktische Zentrum also 5,7° über dem Horizont. Das ist gerade hoch genug, um nicht komplett in der Lichtverschmutzung unterzugehen. Damit hätten wir also unsere Aufnahmezeit. Alle weiteren Parameter (Wetter, Mondstand) müssen jetzt für diese Zeit passen.
Die Überprüfung der Lichtverhältnisse
Zugegeben, bei Nachtaufnahmen von “Lichtverhältnissen” zu schreiben, kann etwas verwirrend wirken. Was ich damit meine, ist die Tatsache, dass man, um optimale Ergebnisse bei der Fotografie der Milchstraße zu erzielen, möglichst wenig andere Lichtquellen im Spiel haben sollte. Das bedeutet so wenig Zivilisationslicht wie möglich und der Mond sollte ebenfalls noch nicht aufgegangen sein.
Fangen wir mit der Lichtverschmutzung durch das Zivilisationslicht an. In unmittelbarer Nähe zur Location sind keine größeren Lichtquellen zu erwarten, das konnte ich bereits bei meinen vorhergehenden Besuchen erkennen. Allerdings kann das Streulicht von Städten und Ortschaften dafür sorgen, dass der Himmel nicht dunkel genug erscheint und die Milchstraße nicht richtig sichtbar wird. Man muss sich dabei aber nicht vor Ort bedingungslos überraschen lassen, es gibt spezielle Karten auf denen die Lichtverschmutzung eingezeichnet ist. Praktischer Weise bietet auch ‘The Photographers Ephemeris’ eine solche Kartenansicht:
Die Karte ist intuitiv zu lesen: Dunkelblau bedeutet wenig bis gar keine Lichtverschmutzung, etwas schlechter ist dunkelgrün. Über hellgrün und gelb geht es zu orange und rot, was die stärkste Stufe darstellt. Starke Lichtquellen können sehr störend sein, selbst wenn sie sehr weit entfernt sind. Daher bietet es sich an aus der Kartenansicht etwas heraus zu zoomen, um sich die Lichtverschmutzung in einem größeren Bereich anzeigen zu lassen.
Für unsere Location, auf dem Rötzenfels stehend mit Blick in Richtung Lindelbrunn, befinden wir uns in einer Gegend mit relativ wenig Lichtverschmutzung und auch in unserer Blickrichtung ist zunächst kein größerer Lichtsmog zu erwarten. Tatsächlich ist es sogar so, dass diese Fläche den Bereich mit der wenigsten Lichtverschmutzung in der Pfalz kennzeichnet. Wir sind hier aber immer noch sehr weit von diesbezüglich idealen Bedingungen entfernt und über dem Horizont werden wir sicher etwas Lichtsmog haben – dies sei an dieser Stelle erwähnt um die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben.
Eine weitere Lichtquelle, die den Spaß an der Fotografie der Milchstraße trüben kann, ist der Mond. Idealerweise ist er zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht aufgegangen und steht weit unter dem Horizont. Dazu schauen wir einfach noch mal auf den Bildschirm, in den Bereich, in dem wir auch die Position der Milchstraße ermittelt haben (die Box unter der Karte). In der Zeile darunter sehen wir bei ‘Moon’ als zweite Zahl ebenfalls den Winkel zum Horizont. Ein Minus als Vorzeichen bedeutet hier, dass der Mond zu dem Zeitpunkt noch unter dem Horizont steht und zwar 16,2°. Das soll uns genügen. Tatsächlich wird der Mond in dieser Nacht erst um 01:30 aufgehen – lange nach unserer Aufnahme.
Die Equipment-Planung
Wenn ich tagsüber auf Fototouren gehen, habe ich gerne ein große Auswahl an Brennweiten dabei und selbstverständlich meine Filter in verschiedenen Ausführungen. Entsprechend schwer wird der Rucksack, aber das ist der Preis, den ich gerne dafür zahle, dass ich mich später nicht ärgern muss, weil ich auf eine bestimmte Licht- oder Motivsituation nicht bestmöglich reagieren konnte. Bei der anstehenden Nachtaufnahme sieht das ein wenig anders aus. Filter werde ich hier keine brauchen und da ich schon genau weiss, wie mein Bild ausschauen soll, brauche ich neben Kamera, Stativ und Fernauslöser auch nur ein Objektiv – leichtes Gepäck!
Aktuell nutze ich eine EOS 5DsR für meine Landschaftsaufnahmen. Für diese Aufnahme ist aber eine gute High-ISO Fähigkeit von Vorteil und deswegen greife ich hier zu meinem Backup-Body, einer EOS 5D Mark III. Bei der Wahl des Objektivs orientiere ich mich am erforderlichen Bildwinkel. Es soll eine Hochformataufnahme werden, um die Länge der Milchstraße zu betonen. Die Landschaft darunter soll einerseits nicht zu ‘puppig klein’ wirken, andererseits soll auch mehr als nur ein Hügel im Bild sein. Ideal wäre es, wenn der Hügel mit der Lindelbrunn ca. 20% der Bildbreite im Hochformat einnehmen würde.
Wenn man eine Location bereits kennt, kann man ganz gut abschätzen, welche Brennweite man für eine bestimmte Aufnahme brauchen wird. Wenn man das aber noch nicht so sicher weiss, oder einfach nur eine Bestätigung für die getroffene Auswahl haben möchte, hilft die iOS-App ‘The Photographers Transit’ sehr gut weiter. In dieser App kann man Aufnahmeposition und Motivposition markieren und bekommt dann den Bildwinkel eingezeichnet, den eine bestimmte Brennweite liefert:
Wie im Screenshot der App zu sehen ist, ist für meine Anwendung eine Brennweite von 24mm ausreichend. Diese Brennweite habe ich in meinem Objektivpark mehrfach abgedeckt. Ich entscheide mich mit dem EF 24-70 2,8 L II für das lichtstärkste der drei zur Auswahl stehenden Objektive.
Das Wetter
Nachdem jetzt alles bekannt ist was für die Aufnahme gebraucht wird, muss nur noch das Wetter mitspielen. Das tut es sogar sehr gut und schließlich haben wir am Tag der Aufnahme einen sehr klaren Himmel. Nur an dem uns abgewandten Horizont befinden sich ein paar Wolken, aber die stören uns nicht. Was die Wetterbeobachtungen im Vorfeld einer Aufnahme angeht, nutze ich eine Vielzahl von Wetterdiensten, die mir verschiedene Informationen liefern. Das alleine wäre Stoff für mindestens einen weiteren Blogeintrag. An dieser Stelle möchte ich nur auf die App hinweisen, die mir ca. 80% der notwendigen Informationen liefert und zudem eine sehr gute Vorhersagequalität besitzt: WeatherPro.
Die Aufnahme
Mit Chris und Steffen treffe ich mich zu Beginn der Nacht am Parkplatz. Im Schein der Stirnlampen geht es ca. 20 Minuten durch die sehr warme Sommernacht hinauf auf den Rötzenfels. Oben angekommen baue ich die Kamera auf, mache eine Probeaufnahme um den Bildaufbau zu kontrollieren und die Belichtung einzustellen. Dann bleibt mir noch Zeit, um eine halbe Stunde einfach nur die nächtliche Stille und den Sternenhimmel zu genießen. Zur geplanten Zeit mache ich eine Aufnahme und gleich darauf nochmal eine, weil bei der ersten Aufnahme ein Flugzeug eine Lichtspur im Bild hinterlassen hat. Bereits in der Bildrückschau auf dem Kameradisplay erkenne ich, dass meine Aufnahme genau so geworden ist, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Zufrieden treten wir wenig später den Rückweg an. Der Kreis zur Bildidee hat sich mit der Aufnahme geschlossen:
Die Milchstraße über dem Pfälzerwald und der Ruine Lindelbrunn
Dieser Artkiel soll keinesfalls so wirken, als wäre meine Fotografie durchrationalisiert oder gar industrialisiert. Für mich findet die Kreativität bei der Fotografie im wesentlichen an zwei Stellen statt: Beim Entstehen der Bildidee in meinem Kopf und bei der Arbeit hinter der Kamera. Ich plane auch nicht jede Aufnahme in diesem Detailgrad, ganz im Gegenteil. Oft ziehe ich einfach mit der Kamera los, wenn sich die Chance auf gutes Licht ergibt und lasse mich überraschen, welche Motive ich vorfinden werde. Dieser Artikel soll einfach nur aufzeigen, wie genau man sich auf eine Aufnahme vorbereiten kann, wenn man das will.
Tip: Wer weitere Infos zur Fotografie der Milchstraße sucht, der sollte bei Thomas Zilch vorbeischauen. Thomas hat einen sehr informativen Blogartikel zu dem Thema verfasst.
Hallo Michael,
es war sehr interessant für mich zu lesen, wie du deine Bilder teilweise vorausplanst.
Ich betreibe Landschaftsfotografie seit langer Zeit, allerdings seit erst knapp einem Jahr mit erheblich mehr Ambitionen.
Vor knapp 30 Jahren habe ich mit Astronomie angefangen und der Sternenhimmel ist mir seit dem ein naher Begleiter geworden. Mittlerweile entstehen auch sehr viele meiner Aufnahmen in der dunklen Tageszeit (http://www.panoramio.com/user/5163498).
Interessant war es für mich, dass du mit ganz anderen Mitteln zu den gleichen “Voraussagen” bei deinen Bildplanungen kommst.
Bei mir läuft es meist so: ich erkunde erst mal den Felsen (sofern ich ihn noch nicht kenne) bei Tageslicht um einschätzen zu können, ob sich Aufnahmen bei Sonnenuntergang oder in der Nacht rentieren – und wichtiger noch: ob der Felsen relativ gefahrlos bei Nacht betreten werden kann. Einen engen schmalen Felsen möchte ich nicht erst in vollkommener Dunkelheit erkunden müssen.
Danach mache ich ein ausführliches Panorama der Aussicht und berechne die Richtungen zu den interesanten Punkten wie Burgen, Felsen usw.
Vielleicht ist dir diese sehr hilfreiche Seite bekannt: http://www.udeuschle.selfhost.pro/panoramas/makepanoramas.htm
Wenn man die Panoramen mit etwas Übung fehlerfrei hinbekommt, hast du die genauen Richtungwinkel zu jedem Punkt und kannst planen. Dabei hilft mir ungemein auch diese Seite: http://jekophoto.de/tools/daemmerungsrechner-blaue-stunde-goldene-stunde/
Sonnenauf- und Untergänge und der genaue Verlauf des Mondes werden dir hier angezeigt und man kann lange im Voraus seine Touren planen. Ich habe z. B. angefangen mir einen Kalender anzulegen in dem ich die interesanten Tage markiere. Dazu gehört z. B. Vollmondaufgang hinter der Burg Trifels von bestimmten Punkten aus, Sonnenuntergänge hinter einigen Felsen usw.
Die Kombination beider Informationen aus den beiden von mir genannten Seiten liefern exakte Ergebnisse und sind wirklich einfach zu bedienen.
Weiterhin viel Erfolg bei deinen Aufnahmen!
Grüße
Jochen
Hallo Jochen,
danke für Deinen Beitrag. Er bliebt leider ein wenig “in der Genehmigung” hängen – aber jetzt ist er da! 🙂
Was Du sagst, mit dem Felsen unbedingt erstmals bei Tag zu erkunden, das ist richtig und wichtig und dass sage ich bei meinen Workshops und Vorträgen den Teilnehmern auch immer sehr eindringlich. Das ist kein Spaß, das ist anderenfalls Leichtsinn. Hier kannte ich die Location bereits und der Fokus des Post habe ich auf die Planungswerkzeuge gelegt. Die Seiten, die Du genannt hast, kenne ich. Gerade die makepanoramas ist sehr mächtig. Allerdings finde ich die Berechnung des Bildwinkels mit ‘The Photographers Transit’ das doch wesentlich leichter und intuitiver. Das ist aber sicher ein Stück weit auch eine Frage der eigenen Präferenzen und Gewohnheiten. Mein Workflow, zu dem ich auch die Planung zähle, ist so ausgerichtet, dass ich möglichst viel Zeit hinter der Kamera verbringen kann und dazu zählt für mich auch, dass ich eine Planung, wie sie hier beschrieben wurde in weniger als fünf Minuten durchführen kann.
Nochmals vielen Dank für Deinen Kommentar dazu + ich hoffe, wir sehen uns mal in der Pfalz!
LG, Michael
Sehr schöne Aufnahme! Mich würde nun interessieren, wieviel Zeit du investieren musstest, um zu deiner Bildidee die richtigen “technischen” Vorraussetzungen herauszufinden. Ist das viel Fummelei oder hat man das in 5 Minuten erledigt, sofern man sich mit den Apps und den örtlichen Gegebenheiten gut auskennt? Ich meine 23:17 ist ja schon seeehr genau abgestimmt…
Vielen Dank für deine immer interessanten “Hintergrundberichte”. Das zeigt mir immer wieder wie spannend und umfangreich dein Hobby ist.
Hallo Andrea,
vielen Dank für Dein Interesse. Es ist in der Tat so, das die ganzen Checks per App in weniger als 5 Minuten erledigt werden können. Das geht sehr intuitiv.
LG, Michael
Ein sehr spannender und hochinteressanter Blogbeitrag mit einem überragendem Milchstraßenbild. Ich bin echt beeindruckt, aber das passiert mir ja bei Deinen Bilder regelmäßig. Stück für Stück lerne ich auch durch Deine Beiträg hier dazu und habe in der TPE App wieder ein paar Funktionen dazu gelernt, die ich bisher so noch nicht kannte. Dein Bild ist wunderschön und äußerst gelungen. Du kannst zu recht zufrieden sein. Nun geht es an neue Herausforderungen. Viel Erfolg.
Ganz lieben Dank, Holger – auch für das tapfere Gegenlesen meiner schreibtechnischen Unfälle. 😉
LG, Michael