Oft höre ich von den Betrachtern meiner Bilder Aussagen wie: “Mensch, da warst Du aber wirklich zur richtigen Zeit am richtigen Ort!”. Das mag stimmen, zumindest für das Bild welches gerade betrachtet wird. Was man den gezeigten Bildern aber nicht ansieht, sind die zeitlichen und gestalterischen Anläufe die es braucht, bis ein Bild so ist, wie ich es haben mag. In der Naturfotografie führt eigentlich kein Weg daran vorbei, sein Motiv immer wieder aufzusuchen – so lange, bis wirklich alle Bedingungen stimmen. Das ist zu Hause, also bei den Motiven, die ich ohne großen Aufwand immer wieder besuchen kann, genau so der Fall, wie bei Motiven auf anderen Kontinenten. Bei letzteren hat man nur entsprechend weniger Versuche, bzw. man braucht deutlich mehr Zeit, weil man seltener dort hinkommt.
Am folgenden Beispiel möchte ich einmal den zeitlichen und gestalterischen Weg aufzeigen, den ich durchlaufen habe, bis ich mit einer Aufnahme (vorerst) zufrieden war.
Motiv: Der Firehole River im Yellowstone National Park
2009 – Erster Anlauf
Im Juli 2009 fällt mir bei einem abendlichen Spaziergang durch das Upper Geyser Basin die Reflexion des Himmels im Firhole River auf, die ihn silbern leuchten lässt. Die Dampfsäulen links und rechts vom Fluss haben eine ähnliche Farbe. Um diese beiden Elemente herum möchte ich meine Aufnahme gestalten. Ich suche mir eine Position, von der aus die Reflexion möglichst gut sichtbar ist und warte dort den Sonnenuntergang ab – immer im Kampf mit den zahlreichen Mücken. An diesem Abend sind ein paar wenige, dichte Wolken am Himmel, die zum Sonnenuntergang leider nicht richtig Farbe bekommen.
Das Bild, welches an diesem Abend entsteht, zeigt zwar auch was mir gefallen hat, bringt aber gleichzeitig jede Menge Punkte mit, die ich gerne anders gehabt hätte:
Wie bereits am Bild markiert, fehlt es dem Himmel an Struktur und Farbe in den Wolken. Für den Platz, den er im Bild einnimmt, muss er jedenfalls mehr bieten als nur ein zartes Orange über dem Horizont! Dann schneiden noch ein paar Baumspitzen sehr unvorteilhaft die Horizontlinie, was einfach nur schlecht aussieht. Schließlich bin ich auch noch mit den Dampfsäulen unzufrieden. Viele Bildelemente transportieren Ruhe, da wollen die krummen und schrägen Dampfsäulen nicht so recht dazu passen. Ich warte noch ab, bis es dunkler wird, aber mit dem Licht verschwinden in der mondlosen Nacht auch die Reflexionen auf dem Fluss. Mehr soll bei diesem Besuch für mich nicht drin sein, aber ich lasse da nicht locker und als ich zwei Jahre später wieder in der Gegend bin, will ich dem Motiv nochmal eine Chance geben.
2011 – Zweiter Anlauf
Jetzt kenne ich bereits die Stelle, zu der ich hin muss. Der Himmel ist dieses Mal wolkenlos, weswegen ich beschließe ihm weniger Platz im Bild einzuräumen. Auch wähle ich eine längere Brennweite, um den Baum links aus dem Bild zu haben, der sich so keck über die Horizontlinie drängt. Ich bleibe bis lange nach Sonnenuntergang. Der wolkenlose Himmel reflektiert nach Sonnenuntergang blau auf das Wasser, was mir noch besser gefällt, als die silbernen Reflexe zu früherer Uhrzeit. An diesem Abend entsteht das folgende Bild. Es gefällt mir schon besser, ist aber immer noch weit davon entfernt, dass ich damit zufrieden bin.
An dem Bild habe ich wieder die Punkte markiert, mit denen ich nicht zufrieden bin. Merke: Wenn der Himmel nix taugt, ist auch der kleinste Teil davon im Bild zuviel. Warum hatte ich den überhaupt drin? Ach ja, weil ich sonst die Dampfsäule in der Mitte hätte abschneiden müssen. Egal, das alleine ist es nicht, was mir nicht gefällt. Zwar ist es windstill und durch die etwas längere Belichtung wirkt der Dampf ruhiger, was der Stimmung im Bild schon mal entgegen kommt. Dafür haben Wasser und Dampf jetzt unterschiedliche Farben. Das liegt an der noch vorhandenen Helligkeit am Horizont. Die lässt den Dampf heller erscheinen. Es bleibt eigentlich nur, noch ein wenig warten bis es dunkler wird. Leider bringt das auch keine Verbesserung, denn zwei Tage zuvor war Neumond und entsprechend dunkel ist der Nachthimmel. Bereits jetzt fehlen dem Wasser die Spitzlichter und nachdem das Licht noch weiter weggegangen ist, wirkt die Wasseroberfläche nur noch matt und farblos. Es hilft nur eines, ich muss nochmal hier herkommen und zwar in der Zeit um den Vollmond. Bei diesem Aufenthalt wird das aber nicht mehr möglich sein. Also muss ich damit bis zu einem Besuch warten, der in die Zeit des Vollmonds fällt.
2014 – Dritter und bislang letzter Anlauf
Im August 2014 ist es dann endlich so weit: Ich bin im Yellowstone, es ist Vollmond und der Himmel ist klar. Nachdem ich an anderen Stellen Aufnahmen vom Mondaufgang gemacht habe, gehe ich in der Nacht auch noch einmal in das Upper Geyser Basin. Schon auf dem Weg dorthin fällt mir auf, dass die Reflexe des Nachthimmels im Firehole River mit dem steigenden Vollmond immer weiter zunehmen. Auf der Suche nach einem Motiv und einer Aufnahmeposition gehe ich aber nicht direkt zu der Location aus den Vorjahren. Statt dessen folge ich erst einmal dem Flusslauf, soweit das auf den freigegebenen Wegen möglich ist. Das mache ich immer wieder so, dass ich mir bereits bekannte Locations so angehe, als wäre ich das erste Mal dort. Oft führt das zu neuen Motiven, an denen man bisher vorbeigelaufen war. Diesmal bringt es aber nur die Bestätigung, dass die Location aus den Jahren zuvor immer noch meine erste Wahl ist und so stehe ich bald wieder an der Stelle aus den Vorjahren. Hier habe ich die besten Reflexe des Nachthimmels im Wasser und auch die Dampfsäulen sind gut zu erkennen.
Ich beziehe meine Position und wähle den Bildausschnitt. Dann taste ich mich an die Belichtung heran. Mein Hauptaugenmerk gilt dabei den Dampfsäulen. Möglichst ruhig sollen sie erscheinen, gerne etwas diffus aber doch noch so klar definiert, dass man erkennen kann, um was es sich handelt. Bei einer Belichtungszeit von 30 Sekunden sehen sie so aus, wie ich mir das vorstelle. Aus einer Serie von Aufnahmen, die sich alle geringfügig in der Struktur des Wassers unterscheiden, habe ich mich letztendlich für diese entschieden:
Firehole River im Mondlicht – 2014
Das ist jetzt ein Ergebnis mit dem ich (aktuell) zufrieden bin. Trotzdem werde ich diese Location wieder aufsuchen und versuchen andere, hoffentlich bessere Ansichten von dem Motiv im Bild festzuhalten.
Danke Michael für diesen Beitrag. Es spiegelt sehr gut Deine Herangehensweise an ein Motiv und den Anspruch auf die eigene Umsetzung und die Zufriedenheit mit sich selbst. Sehr nachvollziehbar beschrieben. So wird die Aufgabenliste nicht kleiner sondern die Ziele und Herausforderungen bleiben ein stetiger positiver Antrieb.
Vielen Dank Holger für Deinen Kommentar. Es freut mich sehr, wenn Dir der Artikel gefallen hat. Ich habe vor, künftig in losen Abständen immer wieder mal solche Artikel in meinem Blog zu schrieben. Einfach um einen Einblick in meine Arbeitsweise zu geben.
LG, Michael