Bei unserem Besuch im UNESCO Weltkulturerbe Kloster Maulbronn (näheres dazu im entsprechenden Blog Beitrag), wurden wir auf die Möglichkeiten der Führungen bei Kerzenlicht aufmerksam, die in der Winterzeit angeboten werden.
Wenn es so was wie einen Schnappreflex bei Fotografen gibt, dann hat der an dieser Stelle bei uns eingesetzt: Ein Kloster illuminiert von hunderten von Kerzen? Das mussten wir fotografieren! Wir erkundigten uns gleich nach dieser Möglichkeit und unsere Euphorie bekam erst mal einen Dämpfer. Erstens sind diese Führungen sehr begehrt und lange im voraus ausgebucht und zweitens darf man sich dabei nicht frei bewegen, sondern muss bei der Gruppe bleiben, während man durch das Kloster geführt wird. Mit dem ersten Punkt hätten wir noch umgehen können, Fotografen sind es gewohnt zu warten. Kopfzerbrechen bereitete uns hingegen das zweite Hindernis. Wir konnten uns nicht vorstellen zu vernünftigen Bildern zu gelangen, wenn wir nicht die zeitlichen Freiräume haben, die man braucht um ein Bild zu gestalten und sich ein Motiv zu erarbeiten. In einer Gruppe mit Nicht-Fotografen und unter dem Zeitdruck eines Besichtigungsplanes kann das nicht funktionieren.
Wieder war es mein Freund Holger Losekann, der uns hier zu einer weiteren wunderbaren Fotogelegenheit verholfen hat. Holger sprach mit der Verwaltung des Klosters und erreichte, dass wir eine der Führungen -und damit das Kloster an diesem Abend- komplett für uns buchen konnten. Auf unseren ausdrücklichen Wunsch konnte auch die Führung entfallen und schon hatten wir was wir wollten: Ein Kloster bei Kerzenschein, nur für uns zum Fotografieren! Perfekt!!
Ende November war es soweit. Nachdem wir unterschrieben hatten, dass wir das Land Baden-Württemberg nicht dafür haftbar machen, wenn wir im Dunkeln stolpern, durften wir das Kloster durch den Eingang zur Kirche betreten. Knapp zwei Stunden hatten wir von nun an Zeit, das Kloster bei Kerzenschein zu Fotografieren.
Obwohl wir eine Vorstellung davon hatten, was uns erwarten würde, waren wir schlicht begeistert und ergriffen von der Atmosphäre, die uns empfing.
Im Kerzenschein: Kreuzgang mit Aufgang zur Frateria (Bruderhelle)
Die Fotografie ist unter diesen Bedingungen nicht immer einfach. Der Blick durch den Sucher lässt bestenfalls erahnen, wie der spätere Bildaufbau wirken könnte. Bei Belichtungszeiten von z.T. mehreren Minuten kostet jeder Fehlversuch wertvolle Zeit. Eine Möglichkeit ist es, eine Kontrollaufnahme mit aberwitzig hohen ISO-Werten zu machen, sofern die verwendete Kamera dies zulässt. Stimmt dann alles, wird die Empfindlichkeit wieder auf ein Mass reduziert, bei der das Rauschen beherrschbar ist und die eigentliche Aufnahme wird mit langer Belichtungszeit ausgeführt. Dabei kann es durchaus reizvoll sein, bewusst länger zu belichten um die Details in den Räumen mehr zur Geltung zu bringen.
Herrenrefektorium bei Kerzenschein. Eine längere (hellere) Belichtung lässt die Details an Decken und Wänden erkennen.
Eine weitere Herausforderung bei derart spärlichem Licht, ist das Setzen des Fokuspunktes. Normaler Weise fokussiere ich meine Aufnahme, egal ob Landschaft oder Architektur, manuell über den Liveview. Ich habe für die Aufnahmen in dieser Nacht eine EOS 5DsR verwendet und da war das leider nicht möglich, da der LiveView in dieser dunklen Umgebung einfach nur “schwarz” anzeigte, ohne die Chance auf ein erkennbares Bild, was zum fokussieren taugen würde. Manuelles Fokussieren über den Sucher schied ebenfalls aus. Um so überraschter war ich, als ich fast aus Verzweiflung den Autofokus ausprobierte und der ohne langes Suchen auch mit den außermittigen Feldern sicher und präzise traf. Das hat mich wirklich beeindruckt.
Blick in das Brunnenhaus vom Kreuzgang aus.
Wir kannten die Location als solche bereits von unserem Besuch bei Tag. Das bedeutet aber nicht, dass die Motive, die tagsüber funktionieren auch bei Kerzenschein gut wirken. Dafür gibt es dann wieder Motive, die uns bei Tag nichts gegeben haben aber erst jetzt im Schein der Kerzen ihre Wirkung entfalten. Ein Beispiel dafür ist das Kalefaktorium (Heizraum).
Kalefaktorium, die Struktur der Wände wird erst durch das Kerzenlicht so richtig betont.
Ein besonderes Highlight war natürlich der im Schein der Kerzen erleuchtete Kreuzgang. Die Szenerie wirkte fast feierlich, gerade auch vor dem Hintergrund der anstehenden Adventszeit.
Beleuchteter Kreuzgang, links vorne der Aufgang zur Frateria und am Ende der Durchgang zur Kirche.
Für uns alle verging die Zeit an diesem Abend viel zu schnell und ich war richtig überrascht, als es hieß “Bitte kommen Sie langsam zum Ende”. Ein Motiv wollte ich aber unbedingt noch umsetzen und dafür hat die Zeit dann auch noch gelangt:
Weitwinkelaufnahme vom Kreuzgang im Kerzenlicht.
Dann war unsere Zeit an diesem Abend auch schon rum. Wahnsinn, wie schnell zwei Stunden vergehen können!
Ich habe die Atmosphäre an diesem Abend sehr genossen. Der Lärm unserer heutigen Zivilisation blieb vor den Klostermauern. Es herrschte eine andächtige Stille, die nur durch den Hall der Schritte unterbrochen wurde, wenn jemand über den Kreuzgang lief. In weiten Bereichen waren die Kerzen die einzige Lichtquelle und so erlebten wir das Kloster bei Nacht genau so, wie das schon vor hunderten von Jahren der Fall gewesen sein muss. Das war über die Bilder hinaus eine ganz besondere Erfahrung für mich.
Danke, Holger, fürs Organisieren. Ohne Dich hätten wir das nicht erlebt!
Tolle Bilder , einfach genial
Danke für den Bericht, MIchael!
Zusammen mit deinen Bildern triffst du die Atmosphäre, die an diesem Abend geherrscht hat.
Es war einfach wunderbar, eines der schönsten vorweihnachtichen Erlebnisse, die ich jemals hatte.
Meinen Dank an dich, dass du mir einen Fotografenplatz für die Veranstaltung angeboten hast.
Da sage ich doch auch mal: Danke, Holger, für die Entdeckung dieser Location und für die Organisation des Events, das diese tollen Fotos möglich machte.
Man kann sich sehr gut vorstellen, wie die Mönche damals hier spiritualisiert (gibt´s das Wort eigentlich?) wandelten, meditierten und beteten oder auch mit Ordensbrüdern diskutierten. Wundervolle Eindrücke, danke Michael!
Danke sehr, Andrea.
Mit dem Diskutieren war es in dem Kloster wohl nicht weit her. Es wurde nur in einem bestimmten Saal gesprochen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Aber alles andere kann man sich sehr gut vorstellen. Dazu noch ein entferntes Echo von Chorälen aus der Kirche und schon läuft mir eine Gänsehaut den Rücken herunter…
LG + schönen zweiten Advent, Michael
Ja, das war schon einmalig schön und vielen lieben Dank. Habe ich sehr gerne gemacht und Dank der einmaligen Unterstützung des Kloster Maulbronns ließ sich dies auch verwirklichen. Jeder hatte so an diesem Abend mit den Herausforderungen zu kämpfen, sei es von der Beleuchtung/Belichtung her, mit technischen Aufgaben oder auch das Motiv so zu finden. Wie Du schon treffend geschrieben hast, Tag und Nacht funktionieren mit denselben Motiven nicht. Das war alles sehr, sehr spannend und wirklich ein außerordentliches Erlebnis – Danke dafür, dass wir dies gemeinsam erleben konnten.
Hi Michael,
Danke für diesen Blogeintrag, für die Beschreibung dieses Abends hast du wirklich die richtigen Worte gefunden. Ich hab das genauso erlebt wie Du es beschrieben hast und hatte schon die Befürchtung das alle meine Bilder unscharf sind, mein Autofocus hat da nähmlich nicht mehr funktioniert ( ja ja die alte Dame Nikon D 700 ) aber irgendwie hat es dann doch hingehauen.
LG
Michael
Hallo Michael,
Danke für Deinen Kommentar! 🙂 Ich habe so die Vermutung, wir waren nicht zum letzten Mal dort…
LG, Michael